Die Freude des Lebens

Burrata ist eine Mozzarella-Variante aus Apulien. In der Masseria der Familie Seppunisi kann man lernen, eigenhändig eine der Kugeln mit dem sahnigen Kern zu formen.

Giuseppe Seppunisi ist ein geduldiger Mensch und er hilft gern, doch jetzt geht es ihm eindeutig zu langsam: „Ein bisschen mehr Mut, einfach die Stracciatella in die Vertiefung drücken, bis sie voll ist, und dann mit der einen Hand unten gut festhalten und mit der anderen oben dasMozzarella- Säckchen einfach zudrehen“, sagt der 23-jährige Käsemeister.

Immerhin, es klappt beim ersten Versuch, die Burrata ist fertig und liegt auf der Hand. Die erste selbstgemachte. Sie schmeckt göttlich. Stracciatella hat in diesem Fall nichts mit demVanilleeis mit den Schokostückchen zu tun, sondern ist der italienische Name für die saftige Füllung des Mozzarella, die Käsefäden mit Sahne, dem Geheimnis der Burrata.

Feinschmecker haben die Burrata schon lange als Köstlichkeit entdeckt. Schneidet man die Mozzarella-Kugel auf, läuft die sahnige Füllung langsam aus. Selbst ganz pur ist sie ein Geschmackserlebnis. Vorbei sind die Zeiten, als auf jedem Party-Buffet die „Insalata caprese“ stand, Scheiben von meist gummiartigem Mozzarella abwechselnd mit Tomaten geschichtet und Basilikum dekoriert. Zum Olivenöl kam häufig noch Balsamessig drauf, was jeden  Eigengeschmack ruinierte und kein Italiener tun würde. Aber der trinkt ja auch keinen Cappuccino nach einem deftigen Essen – das ist eine andere Geschichte.

Burrata ist viel raffinierter als Mozzarella, schmeckt besser und ist in. Inzwischen gibt es sie in Deutschland in den großen Supermärkten und sogar beim Discounter. „Trendartikel! Cremiger Mozzarella-Sahne-Kern, umhüllt von zartem Pastafilata-Käse“, so wirbt Rewe. Und Starkoch Yotam Ottolenghi schreibt in einem seiner Kochbücher sogar: „Burrata ist eine der großen Freuden, die das Leben zu bieten hat.“

Diese große Freude kommt aus Apulien. So hängt alles zusammen bei der Frischkäseproduktion: Mozzarella ist generell aus dem Süden Italiens, wird entweder aus Kuhmilch gemacht, dann heißt er „Fior di latte“, oder aus Büffelmilch. Das ist der „Mozzarella di bufala“ mit einem stärkeren Geschmack, der kommt aus der Region Kampanien rund um Neapel. Burrata aus Apulien wird nur aus Kuhmilch gemacht. Bei Giuseppe Seppunisi kann man sich anschauen, wie sie hergestellt wird. In der Masseria seiner Eltern in der Nähe des Städtchens Ceglie Messapica nicht weit von Ostuni und Brindisi machter Führungen über den großen Hof. Erst zeigt er die Kühe und Kälber, 300 Tiere hat die Familie, alles Holstein-Friesen, die viel Milch geben.

„Ich bin die vierte Generation der Seppunisis“, erzählt er. „Mein Urgoßvater kaufte die Masseria zwischen den Kriegen von einem verarmten Adligen und konzentrierte sich auf Tierzucht, mein Opa Giuseppe, nach dem ich heiße, stieg auf Kühe um, kaufte sie in Holland und Dänemark.“ 1995 habe dann sein Vater den Hof übernommen und vom Fleischhandel auf Milchproduktion umgestellt.

„Aber 2008 ist der Milchmarkt in Apulien eingebrochen, die Konkurrenz aus dem Ausland war zu hoch und der Preis sank“, erzählt Giuseppe weiter,„deshalb stiegen wir um auf Käseproduktion.“ Auch der Junior, der Agrarwissenschaften studiert, hat große Pläne. Er arbeitet an der Bio-Zertifizierung. Schon jetzt werde alles genutzt, sogar der Kuhmist: „Den verkaufen wir als Dünger an die Winzer hier in der Nähe, die den Primitivo machen.“Das ist der dort heimische Rotwein.

2010 wurde die Käserei eröffnet. Heute geben die Kühe je nach Saison zwischen 30 und 60 Liter Milch pro Tag. Die Kälber werden im April und Mai geboren. Die Milch geht von der  computergesteuerten Melkanlage zweimal am Tag in große Tanks und wird sofort weiterverarbeitet. Erst wird sie auf vier Grad gekühlt, dann kommt sie in die Käserei, den ältesten Teil des Hofes aus dem 17. Jahrhundert. Caciocavallo, Provolone und der große, runde Canestrato – die Seppunisis machen viele Käsesorten in allen Formen, die typisch für die Region sind. Die Hartkäse reifen bis zu anderthalb Jahren, ein Raum der Käserei hängt voller Käse.

Doch die Spezialität sind Mozzarella und Burrata. Giuseppe ist geübt und schnell. Er hat in einem Bottich vor sich die Milch, versetzt mit Lab, einem Mix von Milch und Enzymen, dazu kommen kochend heißesWasser und Salz. Mit einem Holzstock rührt Giuseppe die Masse um und zieht sie immer wieder hoch in die Luft. Dann formt er mit den Händen eine fußballgroße Kugel, die unglaublich glänzt. Der Mozzarella ist fertig. Jetzt wird er geteilt und in Form gebracht: als Kugel „fior di latte“, als kleiner Knoten „nodino“ oder zum kurzen Zopf geflochten,
„treccia“.

„Mozzarella kann man auch mit Maschinen machen, aber Burrata gibt es nur von Hand geformt“, sagt Giuseppe und zeigt den Gästen, wie man in ein untertassengroßes Stück Mozzarella eine Vertiefung drückt und sie mit Stracciatella füllt. Die fertigen Käse kommen in eine große Keramikschüssel mit dem typisch apulischen Hahn, wenn sie nicht sofort gegessen werden. Die Handarbeit ist das Problem, dadurch kostet der Käse mehr und er ist nur begrenzt haltbar.

„Die Burrata schmeckt eindeutig am besten von allen Käsesorten, aber sie muss frisch gegessen werden“, sagt Gessi Perrone vom Italia Import in Bonn-Dransdorf – die Familie stammt aus Apulien. „Er ist maximal eine Woche haltbar“, sagt der Geschäftsführer. Er bezieht die Burrata von einem Großhändler. „Wenn ein Gastronom Burrata auf die Karte setzt, bestellt er für sein Restaurant schon mal 100 Stück.“

Jeder hat sein eigenes Burrata-Rezept. Starkoch Ottolenghi bereitet sie zu mit gegrillten Trauben und Basilikum. Die in Knoblauch, Fenchelsamen, Zucker, Essig und Öl marinierten Trauben werden aufgespießt und in der Pfanne gebraten, dann wird alles mit Basilikum garniert. Doch es geht auch einfacher und vielleicht sogar besser, weil keine starken Gewürze den Eigengeschmack stören. „Mein Lieblingsrezept ist Burrata mit aufgeschnittenen Feigen, Parmaschinken und gutem Olivenöl“, sagt Gessi Perrone.

(Erschienen im Bonner General-Anzeiger am 18./19.Mai 2024)

Info:
Burrata und Mozzarella selbst
machen bei der Familie Seppunisi in
Apulien (man spricht auch Englisch):

www.
masseriaseppunisi.it

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