Unsichtbare Gegner
Die jahrhundertealten Olivenbäume sind der Reichtum Apuliens. Es gibt davon rund 65 Millionen. Doch sie sind bedroht. Vom Kampf gegen ein Bakterium.
„Wir haben im November mit der Ernte begonnen, wie jedes Jahr, doch es hat viel geregnet, wir mussten oft pausieren“, sagt Antonella Rosati und zeigt auf die sanft abfallende Ebene hinter sich mit den vielen großen Olivenbäumen, im Hintergrund ist das Meer zu sehen. Heute scheint die Sonne. Hier, zwischen Ostuni und Fasano, stehen die „ulivi monumentali“, die historischen, monumentalen Olivenbäume. Auch viele Bäume der Familie Rosati sind mehr als 1000 Jahre alt „einige sogar 1600 Jahre“, sagt sie.
Die Ernte wird von Hand gemacht, nicht mit Maschinen, denn Antonella produziert Bio-Öl. Auf dem Boden werden große Netze ausgebreitet, sechs Helfer arbeiten mit. An jedem Erntetag fährt sie am Nachmittag mit dem Lastwagen zur 15 Kilometer entfernten Ölmühle nach Cisternino und liefert dort die Oliven ab.
„Die müssen dann innerhalb von zwölf Stunden gepresst werden, um jegliche schädliche Oxydation des Fruchtfleisches auszuschließen“, erklärt sie. Das frisch gepresste Öl kommt in große Stahlstanks auf dem Gut der Familie vor den Toren von Ostuni, „dann kommt das Dekantieren und das Öl muss ruhen und sich setzen, nur so kommen die unterschiedlichen Geschmacksvarianten richtig zum Vorschein.“ Erst in diesen Tagen wird das Öl durch Spezialwatte gefiltert und in Flaschen oder Kanister abgefüllt.
Die Rosatis haben 3000 Olivenbäume auf 20 Hektar Land, sagt Antonella. Pro Jahr produziert sie im Schnitt 10.000 Liter, jede Flasche ist nummeriert. Oft erklärt sie Besuchern bei einer Ölverkostung die Unterschiede der fünf Sorten Fruttato, Classico, Leccino, Cima di Melfi oder Coratina. Bestellungen kommen aus ganz Europa und den USA.
Doch in diesem Frühjahr stimmt etwas nicht. Antonella ist unruhig und mit ihr auch die anderen Öl-Bauern in der Gegend. Die Zeitungen haben es gemeldet: ein unsichtbarer Gegner bedroht ihre Bäume. Es ist die „Xylella fastidiosa“, ein aus Südamerika eingeschlepptes Bakterium. Es wird von blattsaugenden Zikaden verbreitet und gelingt in die inneren Transportadern der Bäume, man sieht es nicht, doch die Bäume vertrocknen und sterben ab.
Bis jetzt ist die Xylella nur im Süden Apuliens aufgetreten, im Salento. Zum ersten Mal wurde sie 2013 von den Fachleuten identifiziert. Das einzige Mittel dagegen: Die Olivenbäume müssen gefällt werden, damit das Bakterium nicht weiter übertragen wird.
Die Zahlen von Coldiretti, dem Verband der italienischen Landwirte, sind erschreckend: 21 Millionen Olivenbäume wurden mit dem Bakterium infiziert. Der wirtschaftliche Schaden habe bei 1,6 Milliarden Euro gelegen, so der Verband. Apulien ist die italienische Region mit den meisten Olivenbäumen und produziert die Hälfte des italienischen Olivenöls.
Fährt man von Brindisi in Richtung Lecce und Gallipoli, ist die Katastrophe gut zu sehen. Statt der schönen alten Bäume mit ihren silberfarbenen Blättern stehen rechts und links der Straße nur noch braune Baumstümpfe – eine trostlose Mondlandschaft.
Nördlich von Lecce war alles noch OK. Bisher. Doch die Xylella wandert langsam nach Norden. In Ostuni, Fasano und Locorotondo sind die ersten befallenen Bäume identifiziert worden, es sind schon mehrere hundert. „Bei uns ist es nur einer“, sagt Antonella. Sie kämpft dafür, dass nicht wie im Süden Massenfällungen gemacht werden „Wir müssen das retten, was wir haben“, sagt sie.
An der Gefahr, die von der Xylella für die Olivenbäume ausgeht, zweifelte keiner in Apulien. Aber statt zu handeln, wurde über das Problem erst geschwiegen und dann heftigst gestritten. Jeder hatte sein eigenes Rezept, Experten, lokale wie regionale Politiker und Landbesitzer. Dazu kamen wie immer wilde Verschwörungstheorien. So hieß es, Investoren hätten schon vor der Xylella-Plage Olivenhaine aufgekauft, um dort Luxus-Ressorts zu bauen . . . Bis die Regierung in Rom eingriff und auch die EU. Die ordnete das Fällen der Bäume an.
Inzwischen sind fast zehn Jahre vergangen und die Forschung ist zum Glück weiter. So versucht man, die Zikaden mit einer Kältebehandlung auszuschalten, die als Überträger gelten. Oder geht neue Wege: „Wenn es keine Kur für die befallenen Bäume gibt, müssen wir mit dem Bakterium leben und versuchen, mit dem Aufpropfen von resistenteren Olivenbaumsorten die historischen Bäume zu retten“, heißt es bei Coldiretti.
Antonella stimmt zu. „Alles ist gut, nur kein Kahlschlag, das wäre eine noch größere Katastrophe und würde die Landschaft zerstören.“ Sie organisiert sich mit anderen Olivenbauern, damit die Fehler der vergangenen Jahre vermieden werden können. Und bleibt optimistisch. „Die Ernte war gut, das wird ein besonderer Jahrgang.“